UPDATE 9. September 2023: Nach unserem dritten Besuch im Engels gingen wir leider nicht glücklich heim. Inzwischen hat die Küche mit Stefan Hardt einen neuen Chef. Das Essen war fern der gewohnten Kreativität und Geschmackssicherheit und gespickt mit handwerklichen Fehlern. Mag sein, dass es daran lag, dass der Küchenchef an diesem Abend nicht vor Ort war. Das neue Engels war ganz weit weg von sterneverdächtiger Küche! Was geblieben ist: kompetenter, herzlicher Service! Die Küche hat Bewährung.
Normalerweise dauert es immer ein paar Monate bis wir nach dem Menükarussell zu Wiederholungstäter*innen werden. Ganz anders nach unserem Besuch im Engels in der Burg. Kaum ging es los mit den ersten lauen Sommernächten zog es uns schon wieder dorthin. Insbesondere auch, weil man im wunderschönen Innenhof und auf der Terrasse Gourmetküche „draußen“ genießen kann. So viel verrate ich vorab: auch unser zweiter Besuch im Engels begeisterte vollkommen. Und ich bleib dabei: die Küche ist sterneverdächtig!
Das Engels bietet auf seiner Speisekarte zum einen eine bunte Mischung von Wiener Schnitzel über Rumpsteak bis hin zu diversen vegetarischen Gerichten an. Dieser „normale“ Teil der Karte resultiert sicher aus der Tatsache, dass im angegliederten Hotel unterhalb der Woche Geschäftsreisende ein- und ausgehen.
Wir waren aber für den sterneverdächtigen Teil der Karte gekommen. Regelmäßig und saisonal wechselnd bietet Marvin Müller und sein Küchenteam dort ein Menü aus drei bis sechs Gängen an, auf Wunsch natürlich mit passender Weinbegleitung.
Der Innenhof war wegen des vorabentlichen Barbecue-Abends (nur eine Veranstaltung von vielen, die im Engels regelmäßig stattfinden) nicht geöffnet. Der Tisch auf der Terrasse in der Hofeinfahrt war aber nicht weniger stilvoll und gleichsam gemütlich. Eine herzliche Begrüßung durch den Service, ein Gläschen Rosé-Cremant zum Aperitif… es konnte losgehen.
Und zwar mit Sylter Brot und Tomatenbutter. Das Brot war wieder wunderbar, die Butter erinnerte mich zu sehr an Tomatensaft. Was ja grundsätzlich super ist, nur eben nicht für meinen Gaumen 🙂
Der Gruß aus der Küche war eine geschmorte Birne mit Tuna-Tatar und Wasabi-Majo. Ein sehr geschmackiger Happs! Und vor allem eine ungewöhnliche Kombination. Und dieser Mut zu besonderen Kompositionen sollte sich zum Glück auch durch unseren weiteren kulinarischen Abend im Engels ziehen!
Tuna Toro | Gartengurke | Avocado | Wassermelone
Das Küchenteam hatte ja bereits erfolgreich mit Thunfisch gegrüßt, also durfte es gerne damit weitergehen. Genauer gesagt mit zartschmelzenden Scheibchen von Toro Tuna. Diese stammen aus dem vorderen fetthaltigeren Bauchteil des Edelfisches und gelten nicht nur in Japan als echte Delikatesse.
Begleiten durften den Tuna ein cremiges Avocado-Eis (ab sofort meine Lieblingsform, der von mir ansonsten ungeliebten Frucht), knackige Kugeln von Wassermelone und Gartengurke sowie ein herrlich frischer Gurkensud. In der Kombination ein sommerliches Gericht, dass bei aller Leichtigkeit dennoch eine unglaubliche aromatische Tiefe mit sich brachte.
Steinbutt | Erbse | Pancetta | Oregano
Als ich den Titel des Gerichtes las, hatte ich mich fest auf ein Erbsenpüree eingestellt. Ich wurde zum Glück eines Besseren belehrt. Das Engels servierte die Erbsen in ursprünglicher Form, perfekt knackig und harmonisch gewürzt. Der Steinbutt war natürlich perfekt zubereitet und wunderbar saftig. Dazu ein cremig-subtiler Oregano-Schaum und ein naturalistisch-freches Scheibchen Pancetta. Ein Gericht, das auch Genießer mit Fischskeptis überzeugt.
Vanille | Aubergine | Sucuk
So jetzt mal ehrlich: wer hat so eine Kombination schon gegessen? Also ich und meine bessere Hälfte auf jeden Fall nicht! Knusprig ausgebackene Sucuk (türkische Knoblauchwurst), fast schon cremige Auberginenstückchen und ein intensiver Vanilleschaum brachten ganz schön viel Musik an den Gaumen. Für meinen Geschmack etwas viel Heavy Metal, ich hätte mir einen Hauch mehr Schlager gewünscht 😉
In der Summe ein spannender Teller, bei dem die Gourmetmeinungen sicher auseinander gehen. Tatsächlich habe ich an dem Abend im Engels mich noch nicht entschieden, ob ich es wieder bestellen würde.
Kalbsbries | Sellerie | Passionsfrucht | Barbecue-Sauce
Ganz anders war da meine Meinung zum Kalbsbries. Eigentlich wollte ich diesen Gang auslassen, da mich Bries noch nie so richtig glücklich gemacht hatte. Aber die Neugierde siegte. Was ein Glück, ich hätte sonst den vielleicht besten Gang im Menü verpasst. Das zarte Kalbsbries war mega-knusprig gebacken und erweckte die Assoziation „Backhähnchen“ – und das ausdrücklich im positivsten Sinn!
In der Kombination mit einer intensiven Barbecue-Soße, Passionsfrucht als Gel und pur sowie einem feinen Selleriepüree zauberte das Engels ein himmlisches Gericht auf den Teller, das spontane Glückseligkeit am Tisch bewirkte.
Perlhuhn | Artischocke | Grapefruit | Trüffel
Zugegeben, der Hauptgang hatte große Fußstapfen vor sich. Er konnte sie nicht komplett ausfüllen, das lag aber am perfekten Bries und nicht an der eigentlichen Zubereitung und Aromatik. Wunderbar saftiges Perlhuhn und zweierlei Artischocke erfreuten sich an einem sehr leckeren Jus, der mit dem Trüffel perfekt ausbalanciert spielte. Dazu gekonnt eingesetzte Spritzigkeit durch ein paar Tupfer Grapefruit-Gel und schon konnte auch dieses Gericht begeistern.
Ingwer | Kokosnuss | Ananas | Pandan-Palme
Das süße Finale machte seinem Namen alle Ehre. Das Panna-Cotta von der Pandan-Palme brachte nämlich reichlich Süße mit sich. Pandan wird übrigens aktuell ziemlich als neues Superfood gefeiert. Die auch ostasiatische Vanille genannte Pflanze soll gegen Kopfschmerzen helfen und entzündungshemmend wirken. Keine Ahnung, ob das stimmt. Auf jeden Fall ist der Geschmack sehr intensiv.
Das Ingwer-Kokosnuss-Eis und die reife Ananas konnten da nicht ganz gegen halten. Mir war das Ganze etwas zu süß, aber ich bin ja auch kein echter Dessertfan.
Ein Fan war ich von der Weinbegleitung, die echt „GEIL“ mit einem Weißburgunder startete und auch zu keinem weiteren Gang einen Wunsch übrig ließ. Perfekt ausbalanciert zu den Aromen der Speisen und mit sommerlicher Leichtigkeit machten die Tropfen ordentlich Spaß. So machten wir uns am Ende glücklich und leicht beschwingt auf in die Sommernacht 😉
Auch wenn ich mich wiederhole: was das Team in Küche und Service im Engels abliefert, schreit förmlich nach einem Stern. Oder was will man dafür mehr erwarten als handwerkliche Perfektion, geschmackliche Kreativität, aromatische Treffsicherheit, wunderbare Produkte und herzlich-kompetenten Service?
Engels in der Burg
Augustinessenstr. 10
45657 Recklinghausen
www.engels-in-der-burg.de