Doppelt hält besser – geteilter Stern in Odenthal

Odenthal, ein kleines Örtchen im Bergischen Land. Gut 15.000 Menschen wohnen dort. Zwei davon zaubern wunderbare kulinarische Kreationen für die Gäste ihres Restaurants. Und halten verdient den Stern in Odenthal.

Christopher und Alejandro Wilbrand heißen die beiden Virtuosen, deren Restaurant zur Post seit 2004 mit einem Michelin-Stern dekoriert ist. Am Ende des Abends fragt man sich, warum es nicht einen Stern pro Bruder gibt.

2 Brüder X 6 Gänge = 12 Geschmäcker

Schon etwas eher angereist, nehmen wir einen Voraperitif an der gemütlichen Theke der Postschänke. Hier steht gehobene bürgerliche Küche auf der Karte. Ein anderes Mal vielleicht, heute soll es das Gourmetrestaurant sein.

Es gilt ja die Regel, dass man vor dem Besuch eines Restaurants das stille Örtchen aufsuchen sollte. Und das ist hier ein wahres Erlebnis! Manche Restaurants sind nicht so geschmackvoll – und witzig – eingerichtet! Ich habe erst überlegt, auch davon ein Foto zu machen. Fand ich komisch. Aber da Ihr nach diesem Blog eh nicht drumherum kommt, die Wilbrand-Brüder zu besuchen …

Stilles Örtchen 2.0

Ich habe das Glück, einen Blick in die Küche werfen zu dürfen. Sie erscheint mir eher klein. Umso erstaunlicher, was wir an diesem Abend alles in höchster Perfektion genießen werden.

Christopher Wilbrand Erfahrung Zur Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Stippvisite bei Christopher

Uns erwartet das 6-Gang-Degustationsmenü. Wir wählen dazu die Weinbegleitung – wenn schon, denn schon 😉 Das war definitiv auch eine gute Entscheidung!

Los geht es mit dem Haus-Aperitif: Rieslingsekt mit Yuzu. In der Kombination süß-sauer und spritzig. Passend dazu die ersten „Häppchen“. Auf Löffeln wird uns Hirschfilet auf Waldorfsalat und eine Sülze mit Norseekrabben serviert. Der Hirsch zart, rosig und mit dem cremigen Salat perfekt. Die Sülze ist so schon wunderbar, mit dem darunter befindlichem Knusperkeks aber herausragend.

Gruß der Küche Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Löffel als Starter

Natürlich gibt es auch Brot und Butter. Französische Salzbutter und – besonders – Passionsfruchtbutter. Brot? In vier Varianten hausgemacht: Oliven, Walnuss, Kümmel und Natur.

Brot Variation Erfahrung Zur Post Odenthal Wilbrand Foodblog Sternestulle
Brot in Varianten

Die Küche grüßt freundlich weiter. Thunfisch-Sashimi mit geflämmtem Rettich. Asiatisch angehaucht und natürlich ein optisches Highlight. Schon an dieser Stelle sind wir begeistert, und das eigentliche Menü hat ja noch garnicht begonnen.

Gruß der Küche Tunfisch Thunfisch Sashimi Rettich Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
So muss Thunfisch schmecken

Und das tut es immer noch nicht … das Vormenü geht weiter: Muschelschaumsüppchen von der Bouchon-Muschel mit gebackener selbiger. Das Süppchen cremig und sehr geschmacksintensiv, die gebackene Muschel innen saftig, außen kross. Unglaublich lecker!

Gruß der Küche Bouchon Muschel Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Zweierlei Bouchon-Muschel

So, jetzt aber (endlich ;-)) der erste Gang. Dieser besteht aus einer Gänseleberschnitte, Briochecreme, Butterbrioche und eingelegter Kumquat. Natürlich! gibt es noch was dazu – Gänseleberschaum

Los geht’s mit dem Menü

Das Schnittchen von der Gänseleber zart und (aus meiner Sicht zum Glück) nicht zu lebrig. In der Kombination mit einem süß-alkoholigem Mandelbällchen und der leicht bitteren Kumquat ein mehr als gelungener Start. Das Butterbrioche liefert den Knusper dazu. Vor dem Schäumchen hatte ich etwas Angst, bin ich doch nicht so die Leberfreundin. Aber mein Mut wurde belohnt: der Schaum ist kräftig gewürzt und perfekt als Begleitung. So lasse ich mir Leber gefallen.

Gänseleber Brioche Kumquat Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Gänseleber, Brioche, Kumquat
Gänseleber Schaumsüppchen Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Leberschäumchen dazu

Der zweite Gang? Nein, natürlich nicht! Erst mal noch was für Zwischendurch. Gefülltes Ei mit Kartoffel-Kräutercreme, Buchweizencrunch und Gewürz-Tapioka. Wir sinnieren, wie man das Ei so akkurat aushöhlt, bis wir feststellen, dass es aus Porzellan ist. Täuschend echt. Die Creme schmelzig, dazu Crunch für die Textur. Das Tapioka gibt beim Zerbeißen einen herrlichen Gewürzsugo preis. WOW! Geschmacklich überraschend und natürlich optisch ein Knaller!

Gruß der Küche Gefülltes Ei Tapioka Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Ei Ei Ei …

Die Wilbrand-Brüder legen großen Wert auf regionale Produkte und nachhaltige Produktion. Ok, der nun folgende Glattbutt schwimmt eher nicht in der Dhünn. Da sehen wir aber gerne drüber hinweg. Das Filet wird begleitet von Tomate, Artischocke, Kapern und Snocciolate Oliven.

Taggiasca snocciolate 😉

Die Ihr kennt diese Olivensorte nicht? Könnt Ihr auch nicht. Snocciolate bedeutet nämlich nichts weiter als „entkernt“, was diese vorzüglichen Taggiasca-Oliven augenscheinlich sind. Knackige Streifen vom Staudensellerie, samtiger Champagnerschaum und ein grüner Korallenchip komplettieren den Italo-Look des Gerichts.

Glattbutt Olive Artischocke Tomate Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Glattbutt mit Chip

Weiter geht’s mit Ceviche von der Bernsteinmakrele und gebratener Rotgarnele. Eine Kombination, die das Zeug hat, der beste Gang des Menüs zu werden. Die Makrele angenehm „fleischig“, dennoch zart und wie alles bisher perfekt abgeschmeckt. Dazu die lauwarme Rotgarnele und ein leichtes Zitrusöl. Was aussieht wie Lauch entpuppt sich als Gurke und steuert neben Textur willkommene Frische bei. Lecker! Yummy! Geil! Gerüchten zufolge sollen Einige am Tisch sogar den Garnelenschwanz weggeknuspert haben.

Ceviche Makrele Rotgarnele Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Der beste Gang des Menüs?

Der nächste Gang begeistert nicht durch die Optik. Und der Geschmack? Komplex, verwirrend, meinungenspaltend. Schwarzer Trüffel (Tuber melanosporum) mit Kalbsherzbries und friaulischem Raviolo. Kalbsbries muss man mögen. Es ist von Geschmack und Konsistenz schwer zu beschreiben. Cremig, fast weich, und von ganz eigenem Aroma. Meins ist es nicht.

Waghalsige Kombination

Cjarsons, friaulische Ravioli, sind klassisch süß gefüllt. Obst, Gebäck, manchmal auch Schokolade. Dieser beinhaltet Nougat und Feige. Zusammen mit reichlich Trüffel tanzt der Gaumen – mal Tango, mal Breakdance. Wer kommt denn auf sowas? Christopher zeichnet in der Post für die warme Küche verantwortlich, Alejandro ist Patissier… wahrscheinlich kommt man beim gemeinsamen Kölsch auf sowas. Ich fand es irre genug, um den Horizont ein gutes Stück zu erweitern.

Kalbsherzbries Raviolo Trüffel Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle

Fleisch gab’s auch. Genauer gesagt Salzwiesenlamm, Aubergine, Rotweinzwiebel und Saltimbocca vom Chicorée. Das Lamm zweierlei: Rücken und Filet. Die Aubergine ebenfalls: Püree und Türmchen. Die Zwiebel sogar dreierlei: Soße, Ragout und als geperlte kleine.

Zusammen garnicht einerlei!

Perfekte Garstufe beim Lamm. Gewürzharmonie bei der Aubergine. Auch wenn die Farbe des Pürees eher unschön war. Dafür reichlich rote Zwiebeln, mal kräftig, mal süß-säuerlich, mal knackig. Dazu das bitter-salzige Saltimbocca vom Chicorée. Ein rundum gelungener Hauptgang!

Salzwiesenlamm Zwiebel Aubergine Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Zweierlei Lamm, mehrerlei Zwiebel

Zum süßen Schluss zeigt Patissier Alejandro, was er kann. Wenn auch nicht ganz jahreszeitlich, so können die Variationen vom Rhabarber doch begeistern. Die Mousse luftig und überraschend mit dem Boden aus gepopptem Buchweizen. Das Sorbet zart schmelzend. Das Parfait eine delikate Schönheit. Für die Süße Kekserde, Zucker-Esspapier oder leicht salzige Sahnekaramellcreme. So sollte Rhabarber immer sein!

Variation vom Rhabarber Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
Rhabarber in seiner schönsten Form

Wir hätten es schon fast vermisst – ein Glück gab es beim Dessert mal wieder was dabei 😉 Feines Ragout vom Rhabarber auf Vanillecreme mit Zuckerwatte. Engelshaar als Bote des kulinarischen Himmels – wir sind dabei!

Variation vom Rhabarber Erfahrung Wilbrand Post Odenthal Foodblog Sternestulle
So geht Dessert!

Nach fast fünf Stunden Genuss sind wir sprachlos und nahezu erschöpft von den vielen Aromen. Der ausgesprochen freundliche Service lies uns aber die Zeit nie lang werden. Kompetent wurde jede Nachfrage beantwortet und jeder Extrawunsch erfüllt. Wohlfühlatmosphäre passend zum – im positiven Sinne – Wohnzimmercharakter des Restaurants.

Wie schon anfangs gesagt, darf man sich am Ende des Abends getrost fragen, warum es nicht pro Wilbrand-Bruder einen Stern gibt. Allerdings: wäre es dann noch möglich, mit dem Chef ein gemütliches Feierabend-Kölsch an der Theke der Postschänke zu schnappen? Manche Dinge sind einfach perfekt, so wie sie sind!

Hotel Restaurant Zur Post
Altnberger-Dom-Str. 23
51519 Odenthal

https://hotel-restaurant-zur-post.de/

Noch mehr Lust auf Sterneküche? Gerne!
maiBeck Köln
Restaurant Alexander Herrmann
FALCO Leipzig

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